Die Gewinnerin Claudia Voss kann es noch immer nicht fassen und steht noch einmal vor ihrem Fotostreifen. Sie ist am Sonntag noch einmal in die Ausstellung gekommen, um sich bewusst zu machen, dass sie wirklich die Siegerin ist.
„Ich habe mir gewünscht, dass die Serie einen Preis gewinnt, aber niemals hätte ich damit gerechnet, dass es der erste sein würde. Ich hätte auch jeden anderen genommen“, scherzt sie.

„Ich habe meine Nachbarin heute in der Zeitung gesehen.“

Während Claudia Voss noch zögert, die Freude noch nicht richtig greifen kann, sind andere zielstrebiger. Bereits am Sonntag ist sie eine kleine Berühmtheit – zumindest in ihrem Wohnviertel. Morgens suchten zwei Damen zielstrebig ihre Bildserie. „Ich habe meine Nachbarin heute in der Zeitung gesehen. Nun will ich mir mal ansehen, welche Fotos sie gemacht hat.“ Anerkennend nickt das Duo mit dem Kopf, vertieft sich in die schwarz-weiß Fotos, über die die Jury sagt, sie überzeugen durch einen lebendigen Reportage-Stil.

Tatsächlich fallen der Bremerin als erstes viele Gesichter und Bekanntschaften ein, wenn sie an den Marathontag am 7. September 2019 zurückdenkt. „Als ich das Motto ,Der Weg ist das Ziel‘ gelesen habe, dachte ich, das ist genau mein Thema. Mir war klar, ich sammele die Motive auf der Strecke, so habe ich es immer gemacht“, sagt die Hobbyfotografin, für die es bereits der vierte Fotomarathon war. Sie trifft geschäftstüchtige Junggesellinnen, eine ausgepowerte Fußballmannschaft, ein kniffelndes Kneipenkollektiv und viele geduldige Jugendliche. Den Überblick beim Zählen zu behalten, kostet Mühe – deshalb einigen wir uns darauf: es waren sehr viele. Fest steht auch: „ich hatte einen Lauf und war vollkommen im Fotoflash.“

„Ich habe viele einfach angesprochen, einige wollten nicht, andere haben mitgemacht.“ Und so steckt hinter jedem Motiv, hinter jedem Gesicht eine ganz persönliche Geschichte. Bei Weitem nicht alle sind auf den Bildern zu sehen, die dennoch einen enormen Beitrag leisteten.

„Den Tag werde ich nie vergessen, nicht, weil ich eine Kamera gewonnen habe, sondern, weil er so reich an Begegnungen war.“

Die Jungs im ersten Bild bewiesen eine Engelsgeduld, posierten eine halbe Stunde lang. Als Claudia Voss nach kritischem Blick endlich meinte, zufrieden mit den Aufnahmen zu sein, fiel ein letzter Blick auf die Startnummer. Sie muss zwingend im ersten Bild sein. Versehentlich hatte sie eine falsche Nummer mit Kreide an die Säule geschrieben. „Jungs, …“ Sie blieben gechilld – no prob.

Mit der Braut in spe und ihren Freundinnen verhandelte die Fotomarathon-Wiederholerin hart. „Sie wollten mir etwas verkaufen. ich lehnte ab, bot ihnen aber Aufnahmen an im Gegenzug wollte ich mein Motiv.“ Das wurde abgenickt. Als die Aufnahmen im Kasten waren, gab es noch einen Abschluss Schnaps.

Beim Thema „Zum Zug kommen“ hat sie sofort eine Idee. „Ich wollte keine Bahn in Szene setzen. Für mich roch das Thema nach Zigarettenqualm.“ Für die richtige Szenerie suchte sie eine Eckkneipe in Sebaldsbrück. Gar nicht so einfach, wie sich herausstellte. Dennoch, Claudia Voss hat Glück und fand eine Location. „Die Wirtin wollte nicht fotografiert werden, aber die anderen am Tresen waren sehr behilflich. Ich durfte beim Kniffelspiel unterbrechen. Die Regeln werde ich wohl nie begreifen“, sie lacht, wenn sie an die Unterhaltung zwischen Zapfhahn und Würfelbecher denkt. Die Lichtverhältnisse waren schlecht, „ich machte das Beste daraus.“ Zum Abschied wurden Telefonnummern getauscht. „Die Aufnahmen schickte ich ihnen zu und sie wünschten mir noch viel Glück beim weiteren Verlauf.“

Nach mehreren Vergleichsaufnahmen in Farbe und schwarz-weiß am Anfang, stand schnell fest, nichts sollte vom Motiv ablenken. „Schwarz-weiß fand ich einfach passender für das Thema“, erklärt sie die bewusste Entscheidung gegen die Farbfotografie. Nur ein einziges Mal zögert sie mit dieser Wahl. Beim Motiv „Hin und weg“ fotografiert sie einen jungen Fußballspieler, der sich nach dem Kicken auf den grünen Rasen fallen lässt. „Der farbliche Kontrast war einfach zu schön, aber da hatte ich mich schon für schwarz-weiß entschieden.“

Für die letzten beiden Motive muss ihre Familie herhalten. Halten im wahrsten Sinne des Wortes. Die Siebenmeilenstiefel kommen einem Kraftakt gleich. „Mein Mann musste den Fuß sehr lange nach oben halten, bis ich zufrieden war mit dem Bild.“ Der Sohn setzte den richtigen Blick auf.

Und schon waren neun Aufnahmen im Kasten. Wie viele Fotos an dem Tag tatsächlich entstanden sind, das kann Claudia Voss nicht mehr sagen. „Ich habe allen Leuten, die mir geholfen haben, zum Dank schöne Aufnahmen geschickt.“

Gesellig, lebendig und irgendwie auch bremisch. Wir danken Claudia für die tollen Einblicke.
Hier noch einmal alle 9 Gewinner des Fotomarathon Bremen 2019.